"Sinnlicher Lagenwein von ca. 15 Jahre alten Stöcken, die mitten im Hang etwa 100 Meter vom Rheinufer entfernt zwischen Schiefer, Sandstein und Quarziten wurzeln. Handlese, 12 Stunden Maischestandzeit. Ein kleiner Teil der entrappten Trauben (20%) vergor spontan im Barrique und der Most durchlebte den sogenannten Biologischen Säureabbau (BSA), der Rest vergor mit Reinzuchthefen im Stahltank. Warum eigentlich? Entwaffnende Antwort des Winzers: "Ich wollte nicht alles riskieren." Beide Teile lagen bis Juni getrennt auf der Hefe und wurden dann vermählt. Im Glas helles Gelb. In der Nase Sonnenblumenkerne, Winterapfel, trockenes Birchermüsli, Orange. Im Mund Kompott von gerbstoffreichen Äpfeln mit superschöner Mini-Süße, Zitronenschale. Der liegt so frisch und zugleich anheimelnd-würzig im Mund und ich genieße den Saft, der durch die Zahnlücken strömt. Sehr trinkiges Stück Wein, das ich mag."

O du mein holder Abendwein!
"Man muss den studierten Geologen und Selfmade-Winzer Marcel Farcas nicht lange bitten, sein Herz auszuschütten. Möglicherweise hat er schon länger darauf gewartet, diese Worte auszusprechen. Aber Marcels Weine sind sowieso nicht für Einheimische gedacht.
Kaub, das ist ein kleines Nest am Rhein, das sich Stadt nennen darf, obwohl nicht mal 900 Menschen dort leben. Blücher überquerte hier mit seinen Truppen den Rhein, um Napoleon zu bedrängen. Einigermaßen bekannt ist das Städtchen wegen der alten Zollburg Pfalzgrafenstein, die mitten im Fluss auf einer kleinen Felseninsel sitzt.
2021 übernahm Farcas gemeinsam mit Ehefrau Oana und Sohn Tudor das Weingut am Löwenkopf mit ein paar Hektar Rebland und krempelt es seither um. 2016 hatte die Familie ihre Heimat Siebenbürgen verlassen und ist nach Stuttgart gezogen.

In Rumänien war Marcel Geschäftsführer im weithin bekannten Weingut Villa Vinea des Textilunternehmers Heiner Oberrauch aus Südtirol und konnte dort den Önologen über die Schulter schauen.
Sein perfektes Deutsch lernte Marcel in der Grundschule, wo schon seine österreichisch-ungarischen Vorfahren auf schmalen Bänken saßen.
Auf einem Viertel Hektar großen Schwaben-Weinberg übten Farcas und Oana ein bisschen Weinbau mit Trollinger, Pinot Noir und Riesling, bis die Gelegenheit kam, ins Rheingau zu gehen und sesshaft zu werden.
Mein Abendwein ist sozusagen der erste große Wurf des Jungwinzers, der 1966 geboren wurde. Er heißt → Adriana Pinot Blanc Bodental-Steinberg Lorch 2021 vom Weinhaus Cuba am Rhein.
Cuba - wie kommt Farcas auf diesen exotischen Weingutsnamen, der eher nach Rum und Zigarren klingt?
Ganz einfach: Kaub wird in mittelalterlichen Quellen als Cuba erwähnt.
Eine Steilvorlage für den Querkopf Farcas, der sich unter keinen Umständen lokalen Traditionen unterwerfen will (weder weinbaulich noch sonstwie) und seine Weine so zubereitet, wie er das für richtig hält. Bloß nicht anpassen! Das irritiert so manchen im Ort - siehe oben.
Und deshalb ist mein Pinot-Blanc-Abendwein ein eigensinniges Trum, das stoffig-frisch und würzig auf der Zunge liegt. Siehe Verkostungsbericht unten.
Wie ist es in Deutschland, wenn man den Großteil seines Lebens in Rumänien verbrachte? Diese Frage konnte sich der Captain nicht verkneifen."
Quelle: www.captaincork.com, Stand 11.11.2022
